Published: Di 12 August 2014
By Nik
In Notizen .
tags: notiz reportage münchen
Ich hätte gern eine Kombination aus Spüle und Geschirrspülmaschine. Da ich ein
Küchenschmodderphobiker bin, möchte ich kein Einbauteil. Am liebsten wäre mir
eine Spüle aus Edelstahl, die ein Gerüst hat.
Ein bisschen googeln, und ich hab so was gefunden. Bei Ebay gibts welche für
fünfhundert Euro. Und es gibt Udden von Ikea. Liebe auf den ersten Blick. Sieht
gut aus, kostet nur ca. 130 Euro. Gute Sache, zu Ikea kann ich mittags mal von
der Arbeit aus hinfahren, von Neubiberg ans Kreuz Brunnthal. Schnell die Spüle
mitnehmen und schon ist die Sache erledigt. Denk ich mir.
Gesagt, getan, ich fahre mittwochs (traditionell mein Einkaufstag) mit dem Auto
zu Ikea. Ich gehe den verschlungenen Pfad der Ausstellung entlang, bis ich nach
einer Viertelstunde zur Küchenabteilung komme. Udden ist nicht zu sehen, ich
frage, nein, Udden ist nicht aufgebaut. Der Mitarbeiter sagt mir, dass ich für
Udden einen Abholschein bräuchte. Ich dachte immer, zu Ikea fährt man hin,
sucht sich was aus, nimmt es aus dem Regal. Na gut, so einfach ist es eben
nicht. In der Küchenabteilung gibt es fünf oder mehr Beratungsplätze. Jeder ist
mit Kunden besetzt, aber jeweils nur einem. Na, dann geh ich doch mal da hin.
Endlich ist jemand frei. Sie sagt, den Abholschein bekäme ich nur an der
Abholstation, nicht an einer der Beratungsstellen. Ah so.
An der Abholstation stehen vier Leute in der Schlange. Die Abholstation hat
zwei Plätze für Mitarbeiter, besetzt ist aber nur einer. Die vorderste Kundin
ist grad dran. Eine prototypische Münchner Schnatze. Blonde, kurze Haare,
zwischen fünfunddreissig und vierzig. Hat Geld, sonst könnte sie sich keine der
sündhaft teuren Münchner Wohnungen leisten. Und offensichtlich viel Zeit.
Haarklein werden am Tresen die Teile für ihre Küche auseinandersortiert. Denn
sie hat die Hälfte zur Lieferung bestellt, die andere Hälfte will sie abholen.
Also wird bei jedem Teil diskutiert, wie sie denn damit verfahren will. Und
natürlich, wie es genau aussehen soll. Glasfront? Welche Griffe? Nach zwanzig
Minuten ist sie fertig. Ich hab ein paar Mal davon geträumt, sie mit einer
kleinen Boden-Boden-Rakete zu eliminieren, wie sie Freischärler in aller Welt
einsetzen, aber man ist ja zivilisiert.
Also übe ich mich in Meditation. Atem zählen, achtsam die Umgebung betrachten.
Über die Relativität nachsinnen. Was man eben so macht, wenn man viel Zeit hat.
Als sie fertig ist, kommt eine andere jüngere Frau. Sie regelt kurz ihre
Angelegenheit, dann ist sie fertig. Löblich, aber leider selten.
Dann kommt ein Rentner. Er hat sich die Küche liefern lassen, aber ein
"Belüftungsboden" fehlt. Die Monteure haben ihm gesagt, dass es am schnellsten
weitergeht, wenn er das Teil selbst holt. Deswegen ist er hier. Das Teil
rauszusuchen, ist gar nicht kompliziert. Der komplizierte Teil kommt jetzt:
Der Herr hat die Küche finanziert und geht davon aus, dass er das Teil jetzt
abholen und kostenlos mitnehmen kann. Gehört ja schließlich zur Küche. Aber so
einfach ist das bei Ikea nicht. Der Mitarbeiter erklärt ihm, dass man das so
nicht verrechnen kann und dass es deswegen so läuft, dass ihm am Ende der
Betrag, den er ja jetzt schon bezahlt haben wird, von der Rechnung für die
Küche abgezogen wird. Die Diskussion geht hin und her. Irgendwann kommt zur
Sprache, um welchen Betrag es eigentlich geht. Elf Euro! Da hat sich die lange
Diskussion doch gelohnt. Es ging ja wirklich um was. Der Ikea-Konzern würde
von einem Tag auf den anderen verarmen, wenn er bei solchen Beträgen einfach
nachgibt.
Ich atme tief durch. Wieder das Bild von Raketen und Panzerfäusten im Kopf. Ich
kann nichts dagegen tun.
Ich bin dran. Ich bekomme meinen Abholschein. Auf dem Abholschein ist eine
Nummer, die wird später noch interessant. Ein Kleinteil, den Siphon, kann ich
im Regallager abholen. Da ich mich im Ikea nicht auskenne, gehe ich durch die
ganze Abteilung mit den Kleinteilen zum selberabholen (Tassen, Töpfe, Kissen
…). Nach einer Viertelstunde mäandern, inklusive einem netten Gang durch eine
Abteilung mit Pflanzen, sehe ich in der Ferne ein Hochregallager. Das muss es
sein. Regal 21, Abteilung 29. Sowas kann ich, Zahlen sind mein Ding!
Den Siphon und die noch abzuholenden Sachen bezahle ich an der Kasse und gehe
mit einem weiteren Schein zum Abholtresen.
Da ist nicht mal eine Schlange. Toll. Ich stehe dran, nach ein paar Sekunden
bemerkt mich der Mitarbeiter. Ohne aufzuschauen, zeigt er auf einen Monitor und
sagt in einem leicht sächselnden Tonfall: "Sie gönnens abholn, wenn da die
Nummer angezeischt wird". Auf dem Monitor steht eine Nummer. Ich schaue auf
meinen Abholschein. Da steht eine andere Nummer. Also bin ich wohl noch nicht
dran. Mir fällt ein, dass ich noch gar keinen Wagen habe. Ich nutze also die
Zeit, um mich mit dem Aufzug zu verfahren. Ich erinnere mich, dass es da, wo
ich mein Auto abgestellt habe, auch Einkaufswagen gab. Also fahre ich soweit
wie möglich nach unten. Ich lande in einer leeren Etage des Parkhauses. Kein
Auto weit und breit. Das ganze sieht ein bisschen aus wie aus einem
Endzeit-Ego-Shooter.
Das einzige, was in der Etage steht, sind zwei Einkaufswägen. Kann man sogar
ohne Münze nehmen. Ich nehm einen und fahr wieder hoch. Am Abholtresen ist
meine Nummer immer noch nicht zu sehen und ich höre wieder denselben Spruch. Da
fällt mir ein, dass der Mitarbeiter in der Küchenabteilung etwas von einem
speziellen Lager gesagt hat. Ich sage dem Mitarbeiter, dass eventuell eine
spezielle Vorgehensweise nötig ist. Er stimmt zu. Ab da habe ich gewonnen. Er
holt mir die Spüle. Ich habe nur einen normalen Einkaufswagen, in den sie
niemals reinpassen wird. Anstandslos gibt er mir den Einkaufswagen, mit dem er
die Spüle geholt hat, einer von diesen Wagen, die nur eine Bodenplatte haben.
Den anderen darf ich sogar stehenlassen.
Nach eineinhalb Stunden bin ich mit meinem Einkauf fertig. Nicht ganz mein Plan
von "schnell hin, kurz abholen, weiterfahren". Aber knapp dran.