Straftatbestand Datensabotage

"Das Gericht ist vollständig versammelt. Die Sitzung ist hiermit eröffnet."

Der Richter warf einen kurzen Blick auf sein JusticePad. Diese Tablets wurden der Justiz von der Firma JusticeHero zur Verfügung gestellt. Alle Abläufe der Justiz waren von dieser Firma übernommen worden, nur die hoheitlichen Handlungen, wie etwa Urteilsverkündungen, wurden noch von Justizangestellten durchgeführt.

"Angeklagter, sie stehen heute wegen des Straftatbestands der Datensabotage vor Gericht. Ihnen werden zahlreiche Vergehen gegen den Grundsatz der Datenplausibilität vorgeworfen. Ich zitiere hier nur einige Beispiele, um die ganze Abscheulichkeit und Heimtücke ihrer Taten zu demonstrieren."

Hier ließ der Richter eine kleine Kunstpause folgen, um die dramatische Wirkung zu steigern.

"So haben sie, ein übergewichtiger Fünfundfünfzigjähriger bei einer Werbeumfrage von Google angegeben, dass ihre bevorzugte Einkaufsquelle für Bekleidung 'About You' sei."

Gelächter im Saal.

"Dann haben sie sich ausführliche Prospektunterlagen für ein großes Elektro-SUV zuschicken lassen, obwohl eine Analyse ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zeigt, dass sie sich ein solches Fahrzeug gar nicht leisten könnten."

Schmunzeln im Saal. Ein unterdrücktes Kichern ist zu hören.

"Bei einer Umfrage nach der Abgabe ihrer Stimme für die Bundestagswahl haben sie behauptet, FDP gewählt zu haben. Eine Überprüfung ihrer politischen Präferenzen zeigt jedoch, dass sie eher zu linken Überzeugungen tendieren. Ich könnte noch viele weitere Fälle anführen. Haben sie dazu etwas zu sagen?"

"Ja. So bin ich nun mal, so sind eben meine Vorlieben." Es war das erst und letzte Mal, dass der Angeklagte Gelegenheit hatte, etwas zu sagen.

"Bullshit. Eine Analyse durch die Zentrale Stelle für Datenplausibilität zeigt, dass die genannten Angaben nicht charakteristisch für sie sind und daher bewußte Fehlangaben darstellen. Ich verurteile sie hiermit wegen Vortäuschen von Konsuminteresse, Verschwendung von Werbeausgaben, Datenmißbrauch und schließlich wegen des mutwilligen Erzeugens von Datenimplausibilitäten zu einer Geldstrafe von fünfzigtausend Euro. Gegen das Urteil ist kein Einspruch möglich. Die Sitzung ist geschlossen."

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